Politischer Stammtisch: Rente mit 63

Lebhafte Diskussion über die Rentenreform im Koalitionsvertrag

Rente mit 63? Gott bewahre!“ – Die Empörung jüngerer Politiker aus Reihen der CDU war groß, als sich abzeichnete, dass eine entsprechende Regelung im Koalitionsvertrag berücksichtigt werden würde. Diese Position stieß auch bei der Münsteraner JU auf Zustimmung. Zu groß erscheint die bisher berechnete Summe der hierdurch entstehenden Zusatzausgaben, zu ungewiss die Gegenfinanzierung. Dass sich die CDU im Gegenzug endlich mit der Reform der Mütterrente durchsetzen konnte, geriet dabei schnell in Vergessenheit oder rief weitere Kritik der Verfechter eines ausgeglichenen Haushalts auf den Plan.

Eine etwas andere Sichtweise präsentierte die Bezirksvorsitzende der CDA und Richterin am Sozialgericht, Gaby Comos-Aldejohann, bei unserem letzten Stammtisch. Sie verteidigte vehement die Entscheidung, 63-Jährigen mit einer Einzahlungszeit von 45 Jahren die Wahlmöglichkeit zwischen Rente und weiterer Erwerbstätigkeit zu geben. Denn bzgl. derjenigen, die bereits 45 Jahre ununterbrochen gearbeitet hätten, müssten ihre jeweilige persönliche Lebensleistung, die konstante Fütterung der Sozialsysteme und ihre Gesundheit berücksichtigt werden. Insbesondere begrüßte sie die Flexibilität der hierdurch privilegierten Personengruppe: Wer sich nicht mehr in der Lage fühle, weitere Jahre zu arbeiten oder den Ruhestand genießen wolle, könne bereits jetzt von der Rente profitieren, während diejenigen, die einen Ausstieg aus dem Berufsleben scheuten, weiter regulär arbeiten könnten. Ihrer Meinung nach könnten die Unternehmen durch flexible und arbeitnehmerfreundliche Modelle auch altbewährte Arbeitnehmer an den Betrieb binden und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Natürlich musste sich unsere Referentin auch kritische Fragen gefallen lassen. Nach wie vor bestehen große Zweifel an der Generationengerechtigkeit dieses Vorhabens. Ständige „Nullrunden“ und versicherungsmathematische Berechnungen, die für unsere Generation eine Rente mit 70 empfehlen, begründen eine gewisse Skepsis demgegenüber. Auch Fragen zu Sinn und Unsinn des Generationenvertrages und der Verpflichtung zur Einzahlung in das staatliche System wurden laut. Gaby Comos-Aldejohann sprach sich klar für die staatliche Rentenabsicherung und den Solidargedanken aus. Nicht zuletzt aufgrund ihrer praktischen Tätigkeit weiß sie zu gut, dass es sonst viele Verdiener – gerade die selbstständig Tätigen - zu lange versäumen, sich um ihre Altersvorsorge zu kümmern. Sie befürchtete, dass eine vollständige Freistellung von der Einzahlungspflicht das Sozialsystem über Gebühr strapazieren und zu Ungerechtigkeiten führen werde. Denn derjenige, der aufgrund eigener Unachtsamkeit keine Rentenansprüche habe, werde schließlich von der Grundsicherung aufgefangen.
Auch weitere Inhalte des Koalitionsvertrags im sozialpolitischen Bereich waren Thema des Stammtisches. Gaby Comos-Aldejohann berichtete über die Änderungen bei der Berufsunfähigkeitsrente und über die geringe Akzeptanz bei angeschlagenen Arbeitnehmern. Lobende Worte fand sie zudem für die Reform der Mütterrente. Gerade aus Gerechtigkeitsaspekten heraus sei es angemessen, im Nachhinein den Frauen, die jahrelang für die Erziehung ihrer vor 1991 geborenen Kinder auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hätten, eine vergleichbare Anerkennung zukommen zu lassen wie denen mit jüngeren Kindern. Es folgten ein vorsichtiger Ausblick („Wie zeitgerecht ist die aktuelle Rentenregelung in Zeiten von KiTa-Platz-Ansprüchen und offenem Ganztag?“) und eine Diskussion über die grundsätzliche Berücksichtigung von Erziehungszeiten.

Wir danken Gaby Comos-Aldejohann für ihren Vortrag und ihre Impulse!

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